Vortrag »Zwischen Bildungsreform-Ära und neuem Qualitätsparadigma«

Wann

26.09.2024 von 14:20 bis 15:00 (Europe/Berlin / UTC200)

Wo

Universität Trier

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Vortrag von Prof. Dr. Sabine Reh und  Dr. Julia Kurig über den Wandel von Schulen im Kontext pädagogischer Diskurse zwischen dem Ende der 1970er und Mitte der 1990er Jahre auf der Tagung »Erziehung, Bildung und Erziehungswissenschaft ‚nach dem Boom‘ (1970–2000). Dis-/Kontinuitäten in westlichen Industrieländern aus zeit- und bildungshistorischer Perspektive« der Sektion Historische Bildungsforschung der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft, 26./27. September 2024 in der Universität Trier.

Der Vortrag soll schulhistorische Wandlungsprozesse ‚nach dem Boom‘ mit dem Wandel erziehungswissenschaftlicher Thematisierungen von Schule verschränken. Die historischen Eckdaten bilden dabei die Drei-Länder-Studie (DLS) Helmut Fends in den Jahren 1978/1979 und die TIMS-Studie (Trends in International Mathematics and Science Study), die in den Jahren 1994 und 1995 durchgeführt wurde. Reflektierte und beförderte die DLS mit ihren differenzierten Daten zum Schulsystem in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Hessen das Ende der Bildungsreform-Ära sowie den Verlust des naiven Glaubens, mit Hilfe empirischer Forschung bildungspolitische Entscheidungen über strukturelle Transformationen des Bildungswesens rationalisieren und legitimieren zu können, so gehörte die Veröffentlichung der Ergebnisse von TIMSS als der ersten großen, international vergleichenden Schulleistungsstudie, an der Deutschland sich beteiligte, in den Kontext des Aufstiegs und der Durchsetzung des Schulqualitätsparadigmas. Dieses war verbunden mit einem neuen Blick auf die Binnenstruktur von Schulen und vor allem das unterrichtliche Geschehen.

Auf der Basis historischer Fallstudien und empirischer Daten zur Entwicklung von vier Schulen in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen (zwei Gymnasien, zwei Gesamtschulen) sollen erste Erkenntnisse zu historischen Wandlungsprozessen von Schulen in den Kontext wissens- und diskursgeschichtlicher Prozesse einordnen. Statt gesellschaftskritischer, auf ‚gesellschaftliche Strukturen‘ gerichteter erziehungswissenschaftlicher Perspektiven auf Schule setzte sich seit Mitte der 1980er Jahre ein neues Interesse an systeminternen und intraindividuellen Prozessen im Bildungssystem durch, mit dem Focus auf die Einzelschule, die lehrenden und lernenden Individuen. Parallel dazu zeigten sich in den Schulen Tendenzen, verschiedene Akteure im Schulbereich – auf unterschiedliche Weisen – stärker in die Schulgestaltung einzubeziehen, auf deren Wohlbefinden und Wohlwollen zu setzen, sie damit aber auch in verstärkter Form verantwortlich zu machen. Es entstanden neue Formen der Responsibilisierung, die nachhaltigen Einfluss auf Schulkulturen hatten.

Mit der Nachzeichnung dieser Prozesse soll Schulgeschichte in den Zusammenhang politischer und allgemeiner zeithistorischer sowie soziokultureller Transformationen eingerückt werden. Möglicherweise lassen sich so die Thesen eines »Strukturbruches« in den Jahrzenten des Übergangs, also in den 1980er Jahren bestätigen. 

Programm der Tagung