Volksschullehrer als »Wissenssammler« im Kaiserreich

In dem Publikationsprojekt wird am Beispiel des Deutschen Schulmuseums bzw. der Deutschen Lehrerbücherei untersucht, wie Berliner Volksschullehrkräfte in der Zeit von 1876 bis 1914 zunehmend als »Wissenssammler« für ihre Profession agierten.

Projektbeschreibung

Die Sammlungen des 1876 gegründeten Deutschen Schulmuseums  (seit 1908 Deutsche Lehrerbibliothek) mit ihrem breiten Spektrum von pädagogischen Schriften, Fibeln, Lese- und Rechenbüchern, Unterrichtshilfen, einer Sammlung Alter Drucke, Handschriften sowie einer Zeitschriften-Sammlung und bilden bis heute den historischen Kernbestand der BBF. Die Buchpublikation beleuchtet diese Sammlungen nicht nur in einem engeren bibliotheksgeschichtlichen Sinn, sondern fokussiert in einer sozial- und wissenshistorischen Perspektive deren Akteure, d.h. die im Berliner Lehrerverein organisierten (bis 1918 ausschließlich männlichen) Volksschullehrkräfte, die gleichermaßen als Sammler von Büchern wie als Produzenten und Rezipienten von Wissen agierten.

Mit Blick auf diese Akteure fragt die Studie nach der Entstehung und Entwicklung der Büchersammlung des Deutschen Schulmuseums in einer Phase, als sich, auch im Kontext der ersten Weltausstellungen, der Wissensbedarf von Volksschullehrern durch rasche gesellschaftliche und wirtschaftlich-technologische Modernisierung und die Ausdifferenzierung von Schulfächern tiefgreifend veränderte. Inwiefern waren die Sammlung und ihre Teilsammlungen Ergebnis einer gezielten Sammlungsstrategie, die einen spezifischen Sammlungszusammenhang anstrebte? Wie wurden die Bücher und Schriften erschlossen und für welche Adressaten verfügbar gemacht? Welcher spezifische pädagogisch-professionelle Wissenskanon, welche strukturellen Bedingungen und situativen Restriktionen, aber auch welche Berufsauffassung und subjektiv-persönlichen Sammelinteressen lassen sich in dieser Berliner Vereinsbücherei nachvollziehen? Welche Rolle spielte das von Lehrern gelesene Buch bzw. die Lehrerbücherei als Ort des Lesens und der Wissensaneignung?

Ausgehend von Bibliotheksmetaphern wie Wissensspeicher und in Anlehnung an einen breiteren soziologischen Wissensbegriff nimmt die Untersuchung die Büchersammlung und ihre Akteure auf zwei Ebenen in den Blick: Sie fragt zum einen nach dem ‚Content‘ der Sammlungen und zum anderen nach deren sozialen und kulturellen Bedeutung für die im Lehrerverein organisierten Volksschullehrer. Mit diesem doppelten Fokus auf die bereitstellte, verarbeitete und rezipierte Information und auf die mit diesem Wissen verbundene Orientierung und Handlungsmacht für die Lehrer des niederen Schulwesens möchte die Studie an bisherige Forschungsansätze zur Geschichte der Volksschule und der Lehrerbildung im Deutschen Kaiserreich anschließen und diese erweitern.

Projektleitung

Dr. Monika Mattes

Projektdaten

Projektart: Publikationsprojekt
Status:
Laufendes Projekt
Laufzeit:
01/2023 - 12/2025
Forschungsfeld: Geschichte pädagogischen Wissens
Kontakt: Monika Mattes