Call for Papers »Jahrbuch für Historische Bildungsforschung«

Für Band 29 des Jahrbuchs für Historische Bildungsforschung (JHB) mit Themenschwerpunkt »Temporalitäten. Zur Geschichte des Verhältnisses von Erziehung, Zeit und Zeiten« werden Beitragsvorschläge und Beiträge gesucht. +++ Frist: Sonntag, 15.01.2023

Das »Jahrbuch für Historische Bildungsforschung« (JHB) wird gemeinsam von der BBF mit der Sektion Historische Bildungsforschung in der DGfE herausgegeben. Es umfasst jeweils einen Teil zu einem festgelegten Thema sowie nicht-thematische Abhandlungen und eine Quelle mit Kommentar/Interpretation. Bis zum 15.01.2023 werden für den 29. Band Beitragsvorschläge für den Themenschwerpunkt und Beiräge für den nicht-thematischen Teil erbeten. 

Das JHB wird derzeit in einem DFG-Projekt in eine zeitgleich als elektronisches Open Access-Format und als Printversion erscheinende Publikation umgewandelt. Die elektronische Fassung ermöglicht die dynamische Einbindung von Medieninhalten (neben Bild- auch Video- und Audioformate). Beiträge, die solche medialen Inhalte präsentieren, sind besonders erwünscht.

Call for Abstracts »Themenschwerpunkt: Temporalitäten. Zur Geschichte des Verhältnisses von Erziehung, Zeit und Zeiten«

Zeit, d.h. die Wahrnehmung von Zeit, der Umgang mit Zeit und Vorstellungen über Zeit und Zeiten prägen die Praxis von Bildung und Erziehung so grundlegend wie sie in deren Reflexion eine wichtige Rolle spielen. Das reicht von der Frage nach der zeitlichen Taktung des Schulunterrichts über diejenige nach günstigen ‚Bildungszeiten‘ und deren Dauer bis hin zu unterschiedlichen Formen einer Erziehung zum Zeitgebrauch. Erziehung und Bildung stehen dabei stets in Wechselwirkung mit anderen gesellschaftlichen Zeitordnungen in Familie, Wirtschaft und Politik und den hier implizierten unterschiedlichen Vorstellungen über ‚Entwicklung‘ und ‚Reifung‘. Pädagogische Programme und Praktiken sind zugleich immer auch als Zeit-Entwürfe zu verstehen, die Zukunft ausgestalten wollen. Als Ausdruck gesellschaftlicher Zeitordnungen geben sie zudem Hinweise auf jeweils typische Zeitvorstellungen, versuchen diese jedoch auch zu reformieren oder radikal umzugestalten.

Das Verhältnis zwischen pädagogischen Ideen und ihrer Praxis auf der einen Seite und Zeit und gesellschaftlichen Zeiten in ihren verschiedenen Facetten auf der anderen Seite unterliegt selbst einem historischen Wandel. Pädagogik und Erziehung sind dabei nicht erst seit der Aufklärung durch vielfältige Vorstellungen und Projekte einer offenen Zukunft und eines neuen Menschen, die es zu formen gilt, sowie einer Bildung von morgen konstitutiv verbunden. Zeit hatte bereits im pädagogischen Denken und in den Bildungsinstitutionen der Frühen Neuzeit sinngebende Bedeutung wie pragmatische Funktionen für Herrschaftsausübung und individuelle Lebenspraxis. Den Aufklärungsdenkern ging es schließlich um eine umfassende Rationalisierung des Zeitgebrauchs, während spätere Reformideen von einer Eigenzeit der Entwicklung und eines Moratoriums für Heranwachsende ausgingen. Reformpädagogische Entwürfe und Visionen im 20. Jahrhundert zielten auf zeitbefreites Lernen sowie Leben und forderten paradoxerweise eine expandierende Zeit in schulischen Verhältnissen. Die teils psychologisch fundierte Chronologisierung individueller Reifung in Entwicklungsphasen wurde in (reform)pädagogischer Deutung häufig als im Spannungsverhältnis mit schulischen Zeitstrukturen stehend betrachtet. Temporalitäten waren damit in verschiedenen Epochen unterschiedlich Gegenstand pädagogischer und bildungspolitischer Debatten, wie etwa auch die über lange Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts ausgefochtenen großen Auseinandersetzungen um die Ganztagsschule, das Konzept des „lebenslangen Lernens“ und eine pädagogische „Entschleunigung“ zeigen. Zugleich erwiesen sich auch jenseits von Schule und Bildungsinstitutionen Ideen einer Rationalisierung des Zeitgebrauchs durch Erziehung als wirkmächtig, etwa in der Industrie aber auch in kolonialen Kontexten und stießen doch immer wieder auf Widerstände und alternative Zeitprojekte einer „freien“ Zeit.

Koexistierende und konkurrierende Zeitordnungen hingen stets auch mit unterschiedlichen kollektiven und individuellen Zukunftsvorstellungen zusammen: Ob in zeitgenössischen Erwartungshorizonten stabile Gemeinschaften oder eine kommende soziale Revolution gesehen wurden, prägte die Wahrnehmung von Zeitregimen. Divergente – lokale, regionale, nationale und globale – Bildungsräume produzierten verschiedene Gegenwarten und Vergangenheiten mit je eigenen Bildungszeiten und Zeiterfahrungen. Beschleunigung und Entschleunigung, Tempogewinne und -verluste sind häufig als Zeit-Argumente in pädagogischen Konzeptionen eingelagert – vor allem dann, wenn es Kämpfe um Zeitbudgets in erzieherischen Verhältnissen gab. Mit der Vorstellung von Zeithorizonten rücken schließlich auch markante Zäsurdaten in den Bereichen von Bildung und Erziehung in den Blick und können in Hinblick auf ihre periodisierende Prägung und Narrativität untersucht werden.

Trotz ihrer grundlegenden Bedeutung ist das Verhältnis zwischen Erziehung und Zeit bislang nur vereinzelt zum Gegenstand bildungshistorischer Forschung gemacht worden. Der geplante Band setzt hier an und möchte aktuelle Studien dazu aus allen Bereichen der historischen Bildungs- und Erziehungsforschung zusammenführen. Er interessiert sich nicht zuletzt für die Herausbildung spezifisch moderner Zeitordnungen und deren Wandel bis in die Gegenwart.

Mögliche Themen sind:

  • Geschichte pädagogischer Zeitreflexion und Zeitkritik
  • Geschichte pädagogischer Zeitbegriffe (z.B. Entwicklungsphasen, Bildungszeit und Lebenslauf)
  • Das Verhältnis von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft – Chronotope und ihre Bedeutung für die Pädagogik
  • Zeitentwürfe in Erziehung- und Bildungsutopien
  • Zeitkritik und alternative sowie konkurrierende Zeitordnungen in pädagogischen Reformbewegungen
  • Zeitreformbewegungen und Erziehung in Politik, Wirtschaft und Kultur
  • Zeitordnungen und Zeitpraktiken in pädagogischen Institutionen
  • Zeit und Umgang mit Zeit als Gegenstand von Erziehung und Unterricht

Redaktionelle Leitung des Themenschwerpunktes:

Formalia und Frist:

  • Einsendungen eines ein- bis zweiseitigen Abstracts bis spätestens 15.01.2023 an die redaktionelle Leitung des Themenschwerpunkts.

Call for Articles »Nicht-thematische Beiträge und Quellen«

Für den nicht-thematischen Teil Dabei sind alle historischen Themenfelder erwünscht. Beiträge, die die Phase vor dem 18. Jahrhundert betreffen, sind besonders willkommen. Zudem soll möglichst jedes Jahr eine markante Quelle publiziert und in ihrem Kontext interpretiert werden.

Formalia und Frist: