Call for Papers »Jahrbuch für Historische Bildungsforschung«

Für Band 31 des Jahrbuchs für Historische Bildungsforschung (JHB) mit Themenschwerpunkt »Wandel und Verflechtung von Bildungsungleichheiten, Bildungsinstitutionen und Gesellschaft im langen 20. Jahrhundert« werden Beitragsvorschläge und Beiträge gesucht. +++ Frist: Sonntag, 30.06.2024

Das Jahrbuch für Historische Bildungsforschung (JHB) wird gemeinsam von der BBF mit der Sektion Historische Bildungsforschung in der DGfE herausgegeben. Es enthält jeweils einen Teil zu einem Themenschwerpunkt sowie nicht-thematische Abhandlungen und eine Quelle mit Kommentar/Interpretation. Für den Themenschwerpunkt (A) wird ein Call for Abstracts durchgeführt, für den nicht-thematischen Teil (B) ein Call for Articles. Die von der Redaktion ausgewählten Beiträge durchlaufen ein Double-Blind-Peer-Review, Quellenkommentare/-interpretationen werden einem Herausgeber*innen-Review unterzogen.

Das JHB erscheint zeitgleich als elektronisches Open Access-Format und als Printversion. Die elektronische Fassung ermöglicht die dynamische Einbindung von Medieninhalten (neben Bild- auch Video- und Audioformate). Beiträge, die solche medialen Inhalte präsentieren, sind besonders erwünscht.

Bis zum 30.06.2024 werden für den 31. Band Beitragsvorschläge für den Themenschwerpunkt und Beiräge für den nicht-thematischen Teil erbeten. 

Call for Abstracts »Themenschwerpunkt: Wandel und Verflechtung von Bildungsungleichheiten, Bildungsinstitutionen und Gesellschaft im langen 20. Jahrhundert«

Aktuell breit rezipierte autosoziobiografische Texte haben nicht nur sozialen Aufstieg und damit verbundene Gefühle von Scham und Entfremdung auf einer individuellen Ebene thematisiert, sie haben insbesondere auch die Rolle von Bildungsinstitutionen für die Reproduktion sozialer Ungleichheit angeklagt. An einzelnen Biografien zeigen sie eindrücklich, dass das Bildungssystem im Ganzen sowie die Ausgestaltung konkreter Bildungseinrichtungen Ausdruck gesellschaftlicher Hierarchien und ungleich verteilter Ressourcen sind. Zudem sensibilisieren sie dafür, wie in Bildungseinrichtungen soziale Differenzen mit Hilfe verschiedener Praktiken, die bestimmte Lebensformen und Habitus honorieren und andere disqualifizieren, erst erzeugt werden.[1] Mit der alltagsweltlichen Situierung von Bildungserfahrungen, der Betrachtung der Wechselbeziehung von Herkunftsmilieu und Schule sowie mit dem Aufgreifen jüngerer gesellschaftlicher Wandlungsprozesse wie etwa der Entwertung von Bildungstiteln bietet diese ‘Klassenliteratur’ neue Perspektiven auf ein genuines Thema der Historischen Bildungsforschung. Zugleich fordert sie zur Historisierung heraus. Hiervon ausgehend fragt der Themenschwerpunkt nach dem Wandel des sozial selektiven Charakters von Bildungsinstitutionen und den in ihnen wirksam werdenden Mechanismen der Reproduktion, Legitimierung und Transformation sozialer Ungleichheit sowie nach den zeitgenössischen bildungspolitischen und pädagogischen Problematisierungen von Bildungsungleichheiten im langen 20. Jahrhundert. Er fokussiert Bildungsinstitutionen im Kindes- und Jugendalter – vor allem Schulen, aber auch Einrichtungen der frühkindlichen und beruflichen Bildung – als Orte der Dominanzgesellschaft und der Vergabe von Bildungstiteln, die vielfach von expliziten oder impliziten Normalitätsvorstellungen geprägt waren. Zugleich ist es ihm ein Anliegen, die Bildungseinrichtungen in ihrer Verflechtung zu weiteren Orten und Instanzen des Aufwachsens zu verstehen.

Am Beginn des hier vorgeschlagenen Untersuchungszeitraums, im ausgehenden 19. Jahrhundert, nahm mit der Vollbeschulung, der Expansion des höheren Schulwesens und seiner zu akademischen Laufbahnen berechtigenden Funktion die Bedeutung von Bildung für sozialen Aufstieg oder den Erhalt sozialer Positionen deutlich zu. Zugleich intensivierte sich Kritik an der Selektivität höherer Bildung. Das Ende des Untersuchungszeitraums markiert die bis heute andauernde Neuaufnahme der Problematisierung von Bildungsungleichheiten infolge der ersten PISA-Studie. Die seit dem späten 19. Jahrhundert ausgeprägte Kritik an ungleich verteilten Möglichkeiten der Bildungsteilhabe für unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen, entsprechende politische Initiativen sowie national, regional, sozial und geschlechtsspezifisch höchst disparate Erwartungen an und Erfahrungen mit unterschiedlichen Bildungseinrichtungen sollen zueinander ins Verhältnis gesetzt und in ihren Folgen bestimmt werden, so dass auch der von der Forschung beschriebene Zäsurcharakter der 1960er Jahre genauer konturiert werden kann. Die Berücksichtigung der Entwertung von Bildungstiteln in Folge der Bildungsexpansion, damit verbundene Abstiegsbefürchtungen und die Intensivierung von Bildungsansprüchen in der frühen Kindheit wären wichtige Erweiterungen des bisherigen Interesses der Historischen Bildungsforschung an sozialem Aufstieg im Bereich der weiterführenden Bildung. Auch sind Beiträge denkbar, die zeitlich vorgelagerte Wahrnehmungen, Reflexionen und Debatten über soziale Ungleichheit im entstehenden Bildungssystem in den Blick nehmen.

Entsprechend der oben skizzierten Rahmung wird für den Themenschwerpunkt zur Einreichung von Vorschlägen folgender Richtungen aufgerufen:

  1. Beiträge, die wissensgeschichtliche Ansätze weiterführen, die in den letzten Jahren vor allem für die Zeit der Bildungsreformära Ungleichheitskategorien historisiert und die unterschiedlichen Aufmerksamkeitszyklen und ambivalenten Folgen der Skandalisierung von Bildungsungleichheiten beschrieben haben. Wünschenswert sind vor allem Aufsätze, die globalgeschichtlich, transnational oder vergleichend arbeiten und/oder das frühe 20. Jahrhundert bzw. die jüngste Zeitgeschichte einbeziehen. Gefragt werden kann hier beispielsweise danach, welche Ungleichheiten im Zugang zu Bildung von wem auf welche Weise problematisiert, welche damit ggf. verdeckt wurden und inwiefern pädagogische Problematisierungen erst neue Unterschiede erzeugt haben. Die Rolle von internationalen Organisationen verdient dabei ebenso Aufmerksamkeit wie die Frage danach, inwiefern verändertes Wissen über Bildungsungleichheiten z. B. in der Lehrpersonenbildung und der schulischen Praxis handlungsleitend wurde.
  2. Beiträge zu einer gesellschafts- und alltagsgeschichtlichen Auseinandersetzung mit Bildungsungleichheiten, die sich der Situierung von Bildungsinstitutionen in konkreten Sozialräumen und Lebenswelten widmen. Hierbei sind Veränderungen der Infrastrukturen und Zugänglichkeit von Bildungseinrichtungen, z. B. durch Expansionsprozesse frühkindlicher Bildung, die Dezentralisierung weiterführender Schulen und zunehmende Mobilität durch Motorisierung, öffentlichen Nahverkehr und gezielten Einsatz von Schulbussen von Interesse. Ebenso sind gewandelte Alltagswelten, wie die Transformation ländlichen Lebens, städtische Segregation oder Migrationsphänomene, die die Zusammensetzung von Bildungsinstitutionen und ihren Bildungsauftrag betrafen, in Hinblick auf das Thema Bildungsungleichheiten aus historischer Perspektive bisher wenig betrachtet worden.
  3. Beiträge, die mit Familien, Gleichaltrigengruppen und Vereinen Akteursgruppen in den Blick nehmen, die von der erziehungswissenschaftlichen Forschung als Bildungsorte sowie wichtige Einflussgrößen auf Bildungsgänge und Bildungsinstitutionen beschrieben worden sind und auch aus Perspektive der Historischen Sozialisationsforschung von Bedeutung sind. Bildungsambitionen von Eltern verschiedener Milieus, beispielsweise im frühkindlichen Bereich oder durch außerschulische Förderung, wären dabei genauso zu berücksichtigen wie die Problematik von Fremdheitserfahrungen Heranwachsender in Schulen und ihre jugendkulturelle Kompensation oder die Frage, wie Freizeitaktivitäten durch das hierarchische Bildungswesen beeinflusst und bestimmte Bildungspraktiken in der Freizeit schulisch honoriert wurden.
  4. Beiträge, in denen die Perspektiven der von Bildungsungleichheit Betroffenen – insbesondere auch von (marginalisierten) Kindern, Jugendlichen und Familien – besondere Aufmerksamkeit erhalten, wobei auch der bildungshistorisch bisher weitgehend vernachlässigten Frage nachgegangen werden soll, welche Bildungs- und Partizipationsmöglichkeiten das Schulwesen Kindern mit Migrationsgeschichte eröffnete oder verwehrte. Hier sind Beiträge zu unterschiedlichen Migrationsgesellschaften erwünscht. Lohnend erscheint aus dieser Perspektive der Blick auf schulische und erzieherische Praktiken und ihren Beitrag an der Erzeugung, Verschleierung oder Reduzierung von Bildungsungleichheiten.

 [1]    Vgl. etwa neben den vielrezipierten Autosoziobiografien von Didier Eribon und Annie Ernaux die literarischen Bearbeitungen von Schulerfahrungen in den 1990er und 2000er Jahren: Christian Baron: Ein Mann seiner Klasse, Berlin 2020; Deniz Ohde: Streulicht. Roman, Berlin 2020; Angela Lehner: 2001. Roman, Berlin 2021.

Redaktionelle Leitung des Themenschwerpunktes:

Formalia und Frist:

Vorschläge sollen einen Abstract (nicht mehr als 300 Wörter) und einen kurzen Lebenslauf enthalten und bis Sonntag, 30. Juni 2024 per E-Mail an Prof. Dr. Joachim Scholz (Ruhr-Universität Bochum) per E-Mail amhiQGRpcGYuZGU=.

Zur Veröffentlichung ausgewählte Artikel (in einer Länge von maximal 60.000 Zeichen einschließlich Leerzeichen und Fußnoten) müssen bis Freitag, 15. November 2024, eingereicht werden und durchlaufen dann ein Peer-Review-Verfahren. Das Heft wird 2025 Open Access erscheinen.

Richtlinien zur Manuskriptgestaltung finden sich unter: https://www.jb-historische-bildungsforschung.de/editorial/guidelines-de.xml

Call for Articles »Nicht-thematische Beiträge und Quellen«

Für den nicht-thematischen Teil sind alle historischen Themenfelder erwünscht. Beiträge, die den Zeitraum vor dem 18. Jahrhundert betreffen, sind besonders willkommen. Zudem soll möglichst jedes Jahr eine markante Quelle publiziert und in ihrem Kontext interpretiert werden.

Formalia und Frist: